Nikon AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G im Test
Nun liegt es also vor mir, eines der zur Zeit begehrtesten Objektive von Nikon. Seit seiner Ankündigung zur Photokina 2010 war es nur in geringen Stückzahlen verfügbar und meistens schnell vergriffen. Doch was macht das AF-S Nikkor 35 mm 1:1,4G eigentlich so begehrt?
Es gehört zur Riege der besonders lichtstarken Festbrennweiten mit Ultraschallautofokus (AF-S), von denen Nikon letztes Jahr gleich drei Stück auf den Markt gebracht hat. Sie ersetzen alte Modelle aus Nikons Objektivprogramm, welche zum Teil schon sehr lange einer Erneuerung bedurften. Der Vorgänger des AF-S 35 mm 1:1,4G war das Nikkor 35/1,4 AI-s, seit 1970 (!) im Angebot und noch ohne Autofokus. Im Gegensatz zu diesem wurde die optische Leistung verbessert und natürlich ein Autofokus hinzugefügt.
Lieferumfang, Ausstattung und erster Eindruck
Im Karton befinden sich außer dem obligatorischen Objektiv Front- und Rückdeckel, ein Beutel sowie eine Sonnenblende (HB-59) mit Bajonettverschluss. Somit erhält man für einen Preis von ca. 1700 € alles mögliche Zubehör mit dazu.
Das Objektiv verfügt über einen Ultraschallautofokus (AF-S), der besonders schnell und leise arbeitet und auch an DX-Kameras ohne eigenen Autofokusmotor funktioniert (z.B. D3100, D5000). Das „G“ am Ende des Namens steht hingegen für eine Bauweise ohne Blendenring, weshalb das Objektiv an manuellen Kameras wie der Nikon FM3a nicht verwendet werden kann. Seine hohe Lichtstärke (Blende f/1,4) wird durch eine recht voluminöse Konstruktion erreicht. Zudem ist sein Gewicht höher als das des AF NIKKOR 35 mm 1:2D, es wiegt mit 600g das Dreifache. Man erhält jedoch eine ganze Blende mehr Licht und dadurch eine erhöhte Tiefenunschärfe. Die Naheinstellgrenze liegt bei 30 cm, sodass man sehr nah an das Motiv herangehen kann.
Das Objektiv entspricht dem aktuellen Objektivdesign von Nikon mit goldener Typenbeschriftung. Die Tubusoberfläche scheint mir aus wertigem Kunststoff zu bestehen, dessen Oberfläche wie Hammerschlaglack anmutet und resistent gegen Kratzer ist. Laut Nikon handelt es sich um ein Magnesiumgehäuse. Auf jeden Fall wirkt es sehr robust. Das Bajonett besteht selbstverständlich aus Metall und das Objektiv ist gegen Staub und Feuchtigkeit abgedichtet. Wie es bei einem Objektiv dieser Preisklasse zu vermuten ist, wird es in Japan hergestellt.
Einsatzgebiete
Das 35 mm 1:1,4 wurde speziell für die Fotografie bei wenig Licht entwickelt. Mit einem Weitwinkelobjektiv von 35 mm Brennweite kann man bei Belichtungszeiten von 1/20 s gut aus der Hand fotografieren, ohne zu verwackeln. Blende f/1,4 in Verbindung mit ISO 3200 – 6400 an einer D700 (oder noch besser: D3s) ermöglicht somit das Fotografieren nachts bei Laternenlicht auf der Straße. Daher eignet es sich vor allem für den Alltag von Fotojournalisten, sei es im Licht von Leuchtraketen bei der Kriegsberichterstattung oder auf Hochzeitsfeiern in schummrigem Kerzenlicht. Auch für die Personenfotografie im Allgemeinen bietet es sich an. Denn während ein Weitwinkelobjektiv zwar grundsätzlich zu unerwünschten Verzerrungen bei der Abbildung von Menschen führt, lassen sich kleine Gruppen oder Paare mit dem 35 mm 1:1,4 aus der Nähe fotografieren und zugleich gut vom Hintergrund freistellen. Auch die Vignettierung bei Offenblende wird von Reportagefotografen gerne als Stilmittel eingesetzt und verleiht den Bildern eine eigene Ästhetik. Der Autofokus funktioniert sehr zuverlässig und flott. Sollte er einmal nicht treffen (was mir bislang nicht passiert ist), so kann dank AF-S jederzeit manuell in die Fokussierung eingegriffen werden.
Abbildungsleistung
Sämtliche Vergleichsfotos wurden mit einer Nikon D700 als RAW (Nikon NEF) mit Lo-1 (= ISO 100) fotografiert, in Capture NX2 konvertiert und in Photoshop CS5 für die Webdarstellung optimiert ohne sie gesondert zu schärfen.
Bei Offenblende f/1,4 ist ein deutlicher Helligkeitsabfall zu den Bildrändern sichtbar. Durch Abblenden wird diese Vignettierung stark verringert und ist bereits bei Blende f/5,6 nicht mehr vorhanden, wie man auf dem oben stehenden Foto gut sehen kann. Auch eine leichte tonnenförmige Verzeichnung wird an den Linien des Hauses offensichtlich. Beim Fotografieren organischer Motive fällt sie nicht weiter auf, bei Architekturaufnahmen kann sie leicht z.B. mit Hilfe von PTLens entfernt werden.
Die Schärfe in den Bildecken kann bei Blende f/1,4 nicht überzeugen, was angesichts der hohen Lichtstärke wenig verwunderlich ist. Abblenden verschafft hier Abhilfe – ab Blende f/4 wird auch an den Rändern alles sehr scharf abgebildet. In der Bildmitte ist dies bereits bei Blende f/2,8 der Fall. In der Praxis eines Fotografen wird der Schärfeabfall zum Rand hin ebenso wenig stören wie die Vignettierung. Denn essentielle Bildbestandteile befinden sich nur selten am Rand.
Beim Fotografieren mit viel Unschärfe ist mir ein Effekt ins Auge gestochen, der mir in dieser Form vormals noch nicht aufgefallen ist: Sphärochromatismus. Dabei handelt es sich um scheinbare Farbsäume entlang konstrastreicher Kanten in der Unschärfe. Wenn die Unschärfe vor dem Fokuspunkt liegt erscheinen diese Säume magenta, wenn sie dahinter liegt grün. Die folgenden Fotos sollen den Effekt verdeutlichen. Auch dieses Phänomen vermindert sich durch Abblenden rasch.
Fazit
Das AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G ist wohl kein typisches Objektiv für Hobbyfotografen. In erster Linie richtet es sich an anspruchsvolle Berufsfotografen, die damit täglich ihr Geld verdienen. Es ist ein hochwertiges Werkzeug, dessen vermeintliche Schwächen bei Offenblende (Vignettierung, Randunschärfe) in den richtigen Händen zu mächtigen Gestaltungsmitteln werden können. Durch die, für ein Weitwinkelobjektiv, enorme Tiefenunschärfe lässt sich mit ihm eine große Tiefe und Räumlichkeit in Aufnahmen erzeugen. Dies hat allerdings seinen Preis, der mit ca. 1700 € recht stolz ausfällt.
Fotografen mit einer DX-Kamera sollten daher lieber zum AF-S DX NIKKOR 35 mm 1:1,8G greifen, welches für unter 200 € an ihren Kameras fast die gleiche Leistung liefert. Für FX-Fotografen mit kleinem Budget wird auch weiterhin das kompakte AF NIKKOR 35 mm 1:2D angeboten, welches mit einer Blende weniger Licht auskommen muss, allerdings auch weniger als ein Fünftel des AF-S NIKKOR 35 mm 1:1,4G kostet.
Nachtrag (09.03.2011):
Damit sich jeder einen Eindruck der beiden 35mm-FX-Objektive (f/1,4 und f/2) im direkten Vergleich machen kann, habe ich diesen hier veröffentlicht.
Mein neues Traumobjektiv. Guter Artikel und – wie immer – tolle Fotos. Weiter so!
Danke, so etwas lese ich gerne! Ich befürchte nur, dass es für eine der kompakteren Kameras völlig überdimensioniert wäre.
Gerade habe ich allerdings eine durchaus interessante Kamera aus diesem Segment bei mir. Ein ausführlicher Testbericht dürfte in den nächsten Wochen folgen. 🙂
Ein wirklich sehr aufschlußreicher und ausführlicher Artikel!
Die Beispielfotos sind sehr aussagekräftig.
Habe mein 50/1.4G schon zugunsten des 35 verkauft, ich denke dass ich mir das 35 kaufen werde 🙂
Lahme, uninspirierte Bilder. Regen mich jetzt nicht gerade zum Kauf an.
Da dies hier kein Online-Shop ist, kann ich damit durchaus leben. 😉
Gute Arbeit! Respekt.
Danke!
Sehr informativ das hilft mir bei der Entscheidungsfindung.
Danke und viele Grüße
Kalu
AF-S DX NIKKOR 35 mm 1:1,8G soll fast die gleiche Leistung liefern??
Kann ich mir nicht vorstellen!
Da es als DX-Objektiv für DX-Kameras optimiert wurde, trifft die Aussage durchaus zu. Auch wenn sie auf den ersten Blick erstaunen mag. An einer DX-Kamera wird vom eigentlichen (FX-)Bild des AF-S 35 mm 1:1,4G schließlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der Mitte verwendet.
danke für dieses aufschlussreiche review…
Gerne!
Momentan teste ich wieder eine lichtstarke Festbrennweite. Allerdings von einem anderen Hersteller. Der Bericht folgt in den nächsten Tagen.