Lichtstarke Objektive faszinieren jeden Fotografen. Solange es sich um ein 50mm-Objektiv handelt, ist dieses Vergnügen recht günstig zu haben. Bei der idealen Portraitbrennweite von 85 mm sind Objektive wie das AF-S Nikkor 85 mm 1:1,4G oder das AF-S Nikkor 85 mm 1:1,8G in der Regel sehr teuer. In diese Bresche springt der Zubehörhändler Foto Walser mit seinem Walimex pro AE 85/1,4 IF UMC.
Was diese günstige Alternative zu bieten hat und welche Abstriche man in Kauf nehmen muss wird im Folgenden erläutert.

Walimex pro AE 85/1.4 IF UMC an einer Nikon D700 - © Überlicht (MB)
Lieferumfang, Ausstattung und erster Eindruck
Das Walimex pro 85/1,4 wird von einem wertigen Metallgehäuse umschlossen. Der schwarze Lack hat die gleiche gesprenkelte Oberflächenstruktur wie die Kameragehäuse von Nikon und passt somit optisch sehr gut dazu. Aus Kunststoff besteht jedoch der vordere Teil des Objektivtubus samt Filtergewinde (mit 72 mm Durchmesser), bei häufigem Filtereinsatz könnte das eine Schwachstelle sein. Einen sehr guten Eindruck hingegen erwecken Metallbajonett und Blenden- sowie Fokusring. Letzterer läuft butterweich und mit sattem Widerstand. Dank eines eingebauten Chips werden die Objektivdaten an die Kamera gemeldet und in den EXIF-Daten eingespeichert. Der Blendenring ist für all jene von besonderem Interesse, die das Objektiv an manuellen Kameras wie der Nikon FM3a verwenden möchten. An modernen Kameras stellt man den Blendenring auf die rote „22“, dann funktionieren Blenden-, Programm- und Zeitautomatik wie bei jedem Nikon-Objektiv. Die Offenblende f/1,4 kann bis auf f/22 verringert werden. Was dem Walimex pro AE 85/1,4 jedoch fehlt, ist der Autofokus. Es muss also stets von Hand fokussiert werden.

Walimex pro AE 85/1,4 IF UMC für Nikon mit Sonnenblende - © Überlicht (MB)
Im weißen Karton befinden sich neben dem Objektiv Front- und Rückdeckel, eine Sonnenblende, ein Objektivbeutel (aus samtigem, schwarzem Synthetikmaterial mit Kordel) sowie eine gefaltete Bedienungsanleitung auf Englisch. Der vordere Objektivdeckel ist etwas hakelig, weshalb ich ihn schnell durch einen der ziemlich komfortablen Snap-On-Objektivdeckel ersetzen werde. Die Sonnenblende hingegen besteht aus stabilem Kunststoff und trägt zur insgesamt hochwertigen Erscheinung des Objektivs bei. Dazu passt die Herkunftsangabe „Made in Korea“. Vollständig ausgestattet (mit allen Deckeln und Sonnenblende) bringt das Walimex pro AE 85/1,4 IF UMC ganze 539 g auf die Waage, „nackt“ sind es noch 493 g.
Im Fotografenalltag
Die zwei bedeutendsten Merkmale des Objektivs sind seine hohe Lichstärke dank einer Offenblende von f/1,4 sowie der manuelle Fokus. Da stellte sich mir unweigerlich die Frage, ob man heute noch ohne Autofokus auskommen kann. Von alten, analogen Kameras bin ich das manuelle Fokussieren zwar durchaus noch gewöhnt. An meiner Nikon D700 bereitet es in der Regel jedoch nicht viel Freude, mit Autofokusobjektiven und ihren leichtgängigen Fokusringen von Hand scharfzustellen. Mit dem Walimex kann man in dieser Hinsicht deutlich komfortabler arbeiten, da der Fokusring sowohl eine recht lange Übersetzung (fast eine halbe Umdrehung) als auch einen angenehm festen Widerstand bietet. So arbeitet man sich zügig an den Fokuspunkt heran, ohne über ihn hinauszuschießen. Durch die geringe Schärfentiefe der Offenblende fällt das Scharfstellen nach Augenmaß meist nicht schwer. Möchte man genau Fokussieren oder sich versichern, hilft im Falle der Nikon D700 eine Anzeige links unten im Sucher, die aus zwei Dreiecken und einem Punkt besteht. Die Dreiecke signalisieren, ob das ausgewählte Fokusmessfeld vor oder hinter der Schärfeebene liegt. Sobald es die Schärfeebene trifft, leuchtet der Punkt in der Mitte auf. Bei anderen Modellen wie der Nikon D200 oder D300 fehlen die Dreiecke und es leuchtet einfach nur der Punkt auf, wenn man auf das Fokusmessfeld scharfstellt. In der Praxis konnte ich nach einer Eingewöhnungszeit recht flott arbeiten. Bei gutem Licht ist der Ultraschallautofokus von Nikons Profiobjektiven zwar deutlich überlegen, im schummrigen Licht einer Bar oder eines stimmungsvoll ausgeleuchteten Konzerts sinkt die Trefferquote und Geschwindigkeit bei diesen jedoch spürbar. Mit etwas Übung kann man auch manuell vergleichbar schnell und zuverlässig fokussieren.

Anprobe (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/250 sec, f/1,4, ISO 1600)
In der Regel transportiere ich meine Objektive mit umgekehrt aufgesetzter Sonnenblende. Nehme ich die Kamera schnell zur Hand, entferne ich lediglich den Objektivdeckel, um zügig fotografieren zu können. Das ist mit dem Walimex pro 85/1,4 nicht möglich, da die umgedrehte Sonnenblende den Fokusring größtenteils verdeckt und dieser so nicht gedreht werden kann. Die Sonnenblende muss also immer zuerst entfernt (und ggf. korrekt aufgesetzt) werden.

Jam Session (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/60 sec, f/1,4, ISO 3200)

MarieMarie mit viel Bokeh an der Bar (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/60 sec, f/1,4, ISO 3200)

Verstärker (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/60 sec, f/1,4, ISO 3200)
Wählt man die größte mögliche Blende f/1,4 des Objektivs, erzeugt das Objektiv selbst aus geringen Lichtmengen ein Bild. Zum anderen entstehen Aufnahmen mit einem äußerst geringen Schärfebereich, was gerade bei Nahaufnahmen (ab einem Meter Entfernung möglich) zu ausgeprägten Unschärfen führt. Beides sind Eigenschaften, die sich zum Zwecke der Bildgestaltung gezielt einsetzen lassen. Die hohe Lichtstärke spielt in schlecht beleuchteten Räumen, etwa bei einem Konzert ihre Stärken voll aus. Hohes ISO oder Verwacklungsunschärfen können mit einer weit geöffneten Blende wirkungsvoll vermieden werden. Die dadurch entstehende Tiefenunschärfe stellt Motive vor einem diffusen Hintergrund frei und erzeugt eine filmisch wirkende Tiefe. Bei starkem Sonnenlicht stößt man mit Blende f/1,4 hingegen selbst bei ISO 100 an Grenzen. Dann reicht auch eine Belichtungszeit von 1/8000 Sekunde nicht mehr aus, um Überbelichtungen zu verhindern. In diesem Fall hilft nur noch ein Neutraldichtefilter oder das Abblenden. Doch selbst bei Blende f/2 oder f/2,8 lassen sich dank der langen Brennweite portraitierte Personen noch gut vom Hintergrund trennen.

Eis auf dem Starnberger See, Bayern (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/160 sec, f/11, ISO 100)

Reserviert (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/160 sec, f/2,8, ISO 400)

Wiese mit Alpenblick bei Beuerberg, Bayern - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/125 sec, f/8, ISO 400)
Gerade bei Portraits kann es jedoch auch passieren, das sich die zu fotografierende Person durch leichte Bewegungen aus dem geringen Schärfebereich entfernt. Hier wünscht man sich dann zähneknirschend einen kontinuierlichen Autofokus. Der nach meiner Erfahrung allerdings auch nicht immer zuverlässig funktioniert und die Schärfe gerne auch einmal auf die Ohren statt die Augen legt. Sitzt die Schärfe jedoch am richtigen Fleck, faszinieren bereits die Ergebnisse mit Blende f/1,4. Beim Betrachten der ersten Aufnahmen konnte ich kaum glauben, was dieses Objektiv zu leisten vermag. Objekte in der Schärfeebene sind knackscharf und der Hintergrund zerläuft schön weich. Dabei zeigt sich das Bokeh (die Charakteristik der Unschärfe) von seiner besten Seite: Lichter werden zu gleichmäßig hellen Scheiben ohne überschärfte, harte Ränder. Blendet man ab, so erhalten unscharfe Lichter eine leicht achteckige Form, da die Blendenlamellen nicht vollständig abgerundet sind.
Video
Meine Nikon D700 verfügt über keinen Videomodus, meine Panasonic Lumix GF1 jedoch schon. Als ich mit dem Walimex pro 85/1,4 an einem See mit tauender Eisdecke unterwegs war, fiel mir auf, dass das Eis in Ufernähe schon sehr brüchig war und sich bei Berührung in einzelne „Stifte“ auflöste. Deshalb habe ich das Objektiv mit Hilfe eines Bajonettadapters einfach an die GF1 angeschlossen und die interessanten Strukturen gefilmt. Mit dem Video erhebe ich keinen Anspruch auf eine künstlerisch wertvolle Arbeit, es soll ledigilich zur Veranschaulichung der Bewegtbildfähigkeiten des Objektivs dienen. Seine Brennweite entspricht an einer Micro-Four-Thirds-Kamera der eines 170-mm-Objektivs (äquivalent Kleinbild). Mangels Stativ oder Bildstabilisator sind die Aufnahmen recht wackelig geraten. Man sieht jedoch gut die leicht eckigen Lichter in der Unschärfe bei Blende f/2,8.
Die Schärfe lässt sich beim Filmen dank des Widerstands im Fokusring langsam und gezielt verlagern, auch ohne die Hilfe eines DSLR Rig mit Follow Focus (Schärfezieheinrichtung). Die Scharfstellung erfolgte im Video nur über das Kameradisplay ohne Einsatz der digitalen Displaylupe.
Abbildungsleistung
Beim Betrachten der ersten Fotos war ich bereits beeindruckt von der Schärfe des Walimex pro AE 85/1,4 IF UMC. Dennoch habe ich ihm mit dem folgenden Testmotiv genau auf den Zahn gefühlt und bin vom Ergebnis beeindruckt. Das folgende Foto zeigt das Testmotiv bei Blende f/1,4 an einer Nikon D700 (FX). Alle Aufnahmen wurden im NEF-Format gemacht, in Nikon Capture NX2 konvertiert und anschließend mit Adobe Photoshop verarbeitet.

Testmotiv fotografiert mit Blende f/1,4 an einer Nikon D700. Bewegen Sie die Maus über das Bild, um ein Foto mit Blende f/8 zu sehen.
An einer Vollformatkamera zeigt sich zwar bei Offenblende f/1,4 noch eine etwas weichere Wiedergabe in der Bildmitte, in den Ecken ist das Ergebnis bereits erstaunlich gut. Man sieht eine Vignettierung, die beim Abblenden sehr schnell nachlässt und bereits bei Blende f/2,8 praktisch nicht mehr vorhanden ist. Weiteres Abblenden auf Blende f/5,6 erhöht die Schärfe in der Mitte noch etwas, an den Rändern ist der Zugewinn geringer. Generell lässt sich sagen, dass das Objektiv bei allen Blenden mit seiner optischen Qualtität überzeugen kann.
Wie auch bei anderen besonders lichtstarken Objektiven kann man bei Offenblende Farbsäume in Magenta und Grün sehen, die dem Sphärochromatismus (Farblängsfehler) geschuldet sind.

Bildmitte, 100%iger Ausschnitt

Linke obere Ecke - 100%iger Ausschnitt
Eine Kamera mit Sensor im DX-Format nutzt einen kleineren Ausschnitt des vom Objektiv projizierten Bildes. Daher können sich auch die Ergebnisse von denen einer Vollformat-Kamera unterscheiden. Die folgende Abbildung zeigt das Testmotiv, der Ausschnitt ist enger als an der Nikon D700. Wie man sehen kann, liegt selbst bei Offenblende nur eine geringe Vignettierung vor.

Testmotiv fotografiert mit Blende f/1,4 an einer Nikon D300. Bewegen Sie die Maus über das Bild, um ein Foto mit Blende f/8 zu sehen.
Bei Offenblende sieht man wieder eine etwas weichere Abbildung in der Bildmitte, an den Rändern fällt sie ebenfalls auf. Durch Abblenden verbessert sich die Schärfe erwartungsgemäß deutlich und erreicht spätestens bei Blende f/4 ein sehr hohes Niveau.

Bildmitte, 100%iger Ausschnitt

Linke obere Ecke, 10%iger Ausschnitt
Fazit
Anfangs war ich skeptisch und fragte mich, was ich von einem Objektiv ohne Autofokus für ca. 300 € erwarten könnte. Dann sah ich die beeindruckende Schärfe der ersten Aufnahmen, welche auf dem Niveau eines Profiobjektivs lag. Walimex führt es berechtigterweise in seiner „pro“-Linie. Das manuelle Fokussieren ist sicherlich Geschmackssache und vermag nicht in allen Situationen mit einem schnellen Autofokus mitzuhalten. Wer sich allerdings damit arrangieren kann, erhält ein konkurrenzlos günstiges 85mm-Objektiv mit hoher Lichtstärke und ausgezeichneter Bildqualität.
In meinem Fotorucksack erhält das Walimex pro AE 85/1.4 IF UMC auf jeden Fall einen Platz und ich freue mich schon, es in Zukunft auch zum Filmen an Vollformatkameras einzusetzen.

Schilf in der Abendsonne (2012) - Nikon D700 & Walimex pro AE 85/1,4 (1/8000 sec, f/1,4, ISO 200)
Geschrieben am 6. März 2012 von Andreas Rumpf
Kategorien: Fotografie, Objektiv, Test
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