Nikon AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G im Test
Wer sich eine Spiegelreflexkamera mit Vollformatsensor kauft, möchte die gute Bildqualität nur ungern durch schlechte Objektive beeinträchtigen. So war es auch bei mir, als ich mir im Sommer 2008 die Nikon D700 zu Beginn der Auslieferung kaufte. Am großen FX-Sensor wurden die Schwächen meines alten Sigma 28-70 mm EX DG 2.8 mehr als deutlich und so wurde es gegen das deutlich teurere Nikon-Zoom AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED eingetauscht. Seitdem hat es mich um den halben Erdball begleitet und fast nie im Stich gelassen. Bis auf ein einziges Mal, doch dazu später mehr.
Lieferumfang, Ausstattung und erster Eindruck
Bereits der relativ große, goldene Karton des Objektivs verheißt einen wertvollen Inhalt. Beim Auspacken findet man neben dem 900 g schweren Objektiv samt zweier Objektivdeckel die große Gegenlichtblende HB-40 sowie die robust verarbeitete Objektivtasche CL-M3.
Ohne Gegenlichtblende wirkt das 24-70 nicht allzu mächtig und in Kombination mit einer Vollformatkamera liegt es trotz seines ordentlichen Gewichts gut in der Hand. Setzt man die Gegenlichtblende aus hartem, verwindungssteifem Kunststoff an das Objektiv, wirkt es gleich deutlich voluminöser. Dafür schützt die stabile Konstruktion Frontlinse und Tubus zuverlässig vor Dellen und Kratzern durch versehentliches Anecken. Die Streulichtblende arretiert sich beim Ansetzen selbst und muss vor dem Abnehmen mit Druck auf einen kleinen Hebel wieder entsichert werden. Ein versehentliches Verrutschen oder gar Verlieren ist somit praktisch ausgeschlossen. Für den Transport kann die Gegenlichtblende umgekehrt aufgesetzt werden und nimmt so deutlich weniger Platz in der Kameratasche ein. Der Tubus des Objektivs besteht aus Metall und ist sehr solide, kein Vergleich mit einem günstigen Kit-Zoom. Die Gummiringe zum Fokussieren und Zoomen sind ordentlich geriffelt und weisen beim Drehen einen angenehmen Widerstand auf. Sowohl das Filtergewinde an der Vorderseite (mit 77 mm Durchmesser), als auch das Objektivbajonett bestehen aus Metall. Diese hochwertige und robuste Verarbeitung verwundert nicht, soll das Objektiv doch auch im Alltagseinsatz von Fotojournalisten mehr als einen Einsatz unbeschadet überstehen. Schade wäre es schließlich auch um die aufwendige optische Konstruktion mit drei asphärischen Elementen, drei Linsen aus ED-Glas (mit besonders geringer Brechkraft) sowie der Nanovergütung, welche Geisterbilder und Kontrastabfall durch Streulicht verringert.
Zwischen Zoom- und Fokusring liegt ein kleiner Schalter, mit dem zwischen manuellem und Autofokus umgeschaltet werden kann. Wie alle modernen Nikon-Objektive verfügt es über keinen Blendenring mehr (dafür steht das „G“ in der Produktbezeichnung), weshalb eine Verwendung an analogen, manuellen Kameras wie der Nikon FM3A nicht mehr möglich ist. An modernen Kameras vermisst man den Ring ohnehin nicht, hier kann die Blende bei Bedarf bequem über die Einstellräder geändert werden. Das Fokussieren übernimmt ein schneller Ultraschallautofokusmotor (AF-S), wodurch das 24-70 an allen aktuellen Nikon-Kameras eingesetzt werden kann. Auch günstige DSLRs wie die Nikon D3200 ohne eigenen Autofokusmotor können damit problemlos scharfstellen.
Fotografieren
Der Einsatzbereich des AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED sollte klar sein: mit seinem Zoombereich von 24 mm bis 70 mm bietet es sich idealerweise als Reportagezoom an. Es deckt damit ein relativ breites Spektrum ab und bietet vom ordentlichen Weitwinkel bis zum leichten Tele die im Alltag gebräuchlichsten Brennweiten an. Innenräume lassen sich dadurch ebenso gut abbilden wie Personen im Portrait festhalten. Verwendet man das Objektiv an einer Kamera mit kleinerem DX-Sensor, entspricht der Brennweitenbereich 36 mm bis 105 mm. Damit fehlt an DX-Kameras der Weitwinkelbereich nahezu komplett und somit ist das 24-70 nur bedingt als Standardzoom nutzbar. Unabhängig davon können mit einer Naheinstellgrenze von 38 cm bis zu einem gewissen Grad sogar Detailaufnahmen angefertigt werden, wenn auch die Abbildungsleistung im absoluten Nahbereich nicht vollständig zu überzeugen weiß. Hält man etwas mehr Abstand, macht es allerdings auch bei Still-Life-Aufnahmen eine gute Figur.
Richtig in seinem Element ist das Objektiv allerdings erst draußen, wenn etwa der schnelle Autofokus ausgespielt werden kann. Die richtigen Einstellungen in der Kamera vorausgesetzt, wird man damit nur selten ein Motiv verpassen. Zugleich arbeitet er auf Grund des Ultraschallmotors (dafür steht das AF-S) sehr leise. Sollte man doch einmal selbst fokussieren wollen, kann man das über den breiten Fokusring jederzeit (bei halb heruntergedrücktem Auslöser) tun, auch ohne vorher den Fokusmodus zu wechseln. Eine andere Stärke des 24-70/2,8 zeigt sich in Situationen mit wenig Licht, in denen die durchgängige Offenblende f/2,8 zum Tragen kommt. Damit lassen sich die Verschlusszeiten kurz halten und so Bewegungen besser einfrieren. Ein Bildstabilisator bei gleichzeitig kleinerer Blende könnte diesen Effekt nicht erzielen. Zugleich sorgt die große Blende für ein ordentliches Maß an Unschärfe, die man gestalterisch beim Fotografieren einsetzen kann. Schließlich erzeugt sie einen starken Eindruck von Tiefe, welcher den menschlichen Sehgewohnheiten entspricht und daher den meisten Betrachtern gut gefällt.
Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Staub- und Spirtzwasserabdichtung des Objektivs, wenn man seine Ausrüstung nicht bei jedem Schauer in der Tasche verschwinden lassen möchte. In Regengüssen und bei Schneefall habe ich bisher auch immer problemlos fotografieren können, ohne dass Wasser ins Innere von Objektiv oder Kamera eingedrungen wären. Auch Staub hat bislang keine Probleme bereitet, obwohl das Objektiv beim Zoomen spürbar Luft „pumpt“. Die Definition von Staub sollte man allerdings nicht zu weit fassen, wie ich leidvoll auf einer dänischen Düne im Sandsturm erfahren musste. Danach war das 24-70 (vorerst) nicht mehr zu gebrauchen und konnte nur vom Nikon-Service gerettet werden.
Bildqualität
Wer so viel Geld für ein Objektiv ausgibt, erwartet neben einer guten Verarbeitungs- vor allem auch eine tolle Bildqualität. Um einen Eindruck von der optischen Leistung zu bekommen, habe ich mir als Testmotiv eine wundervolle Parkhauswand gesucht und mit den Brennweiten 24 mm, 50 mm sowie 70 mm abfotografiert. Sämtliche Aufnahmen wurden mit einer Nikon D800E als RAW im NEF-Format gemacht, in Nikon Capture NX2 verarbeitet und anschließend in Photoshop zu Vergleichsbildern zusammengestellt. Da ein Objektiv in der Bildmitte und den -rändern meist unterschiedlich gut abbildet, wurde jeweils ein Ausschnitt aus der Mitte sowie aus der rechten oberen Ecke genommen.
Die Bildmitte sieht bei allen Brennweiten bereits bei Blende f/2,8 gut aus und legt beim Abblenden auf f/4 noch weiter an Schärfe zu. Dieses hohe Niveau setzt sich bei Blende f/5,6 und f/8 erwartungsgemäß fort und weicht erst ab Blende f/11 einem zunehmend weicheren Bildeindruck. Ein Blick an den Bildrand zeigt bei Offenblende und den Brennweiten 24 sowie 50 mm ein deutlich schwammigeres Bild. Hier muss um zwei Blenden auf f/5,6 abgeblendet werden, wenn man auch in den Ecken Wert auf eine hohe Schärfe legt. Bei 70 mm Brennweite tritt der Schärfeabfall zu den Rändern jedoch kaum zutage, sodass man hier jederzeit bedenkenlos mit Offenblende arbeiten kann. Wie auf der Gesamtansicht des Testmotivs zu sehen ist, verleiht das Objektiv bei Offenblende allen Fotos eine deutliche Vignettierung. Diese lässt sich in Nikon Capture NX2 oder anderen RAW-Konvertern einfach beheben, wenn sie nicht erwünscht ist. In einigen Situationen lässt sie sich jedoch gestalterisch nutzen und fokussiert etwa den Blick des Betrachters zusätzlich auf die Bildmitte.
Was man am Testmotiv fast nicht sieht, und das ist gut so, ist Verzeichnung. Während andere Objektive eine umfangreiche Nachbearbeitung wegen kissen- oder tonnenförmig gebogener Linien bei Architekturaufnahmen nötig machen, sind die Aufnahmen mit dem 24-70 direkt aus der Kamera recht ansehnlich.
Fazit
Von Nikons AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED darf man nicht erwarten, eine eierlegende Wollmilchsau zu sein. Weder hat es eine perfekte Abbildungsleistung, noch kann es mit Extras wie einem Bildstabilisator punkten, wie ihn etwa das AF-S 24-85 mm 1:3,5-5,6 VR (siehe Test) für deutlich weniger Geld bietet. Und wer einen besonders großen Brennweitenbereich sucht, sollte sich lieber das 28-300 VR von Nikon ansehen.
Wer hingegen ein lichtstarkes Standardzoom mit professioneller Verarbeitung für seine Nikon-Vollformatkamera sucht, findet im AF-S NIKKOR 24-70 mm 1:2,8G ED ein zwar teures, jedoch ebenso hochwertiges Arbeitsgerät, das ihn nur selten im Stich lassen wird. Mich hat es in knapp fünf Jahren nie enttäuscht, von besagtem Vorfall im Sandsturm einmal abgesehen.
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