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Ferrotypie – Fotografie auf Blech

Als Besucher von Flohmärkten kann ich mir das Durchsehen von Kisten mit alten Fotografien nicht immer verkneifen. Selten sind wirklich interessante Aufnahmen dabei, auf einem Hinterhofflohmarkt im Mai 2009 war es jedoch der Fall. Diesmal entdeckte ich das Portrait eines jungen Paares in altmodischer Kleidung. Das wäre nicht gerade außergewöhnlich gewesen, doch die Fotografie befand sich auf einer kleinen Metallplatte (ca. 6,5 cm x 8,5 cm). Nach zähem Verhandeln bekam ich das gute Stück zu einem verschmerzbaren Preis und konnte es mit nach Hause nehmen.
Nun wollte ich natürlich wissen, was es mit dieser Art der Fotografie auf sich hatte und ich las in der Fachliteratur nach. Da sich das Bild aus jedem Betrachtungswinkel gut erkennen ließ, konnte es sich nicht um eine Daguerrotypie handeln. Schließlich fand ich heraus, dass ich Besitzer einer Ferrotypie geworden war.

Ferrotypie auf Tisch mit Lavendel

Ferrotypie (zwischen 1880 und 1900) - © Überlicht (MB)

Bei einer Ferrotypie handelt es sich um ein nach dem Dunkelfeldprinzip umgesetztes Direktpositivverfahren. Wie bei einem Polaroid wird als Endprodukt ein Unikat erzeugt, das sich ohne Umkopieren betrachten lässt. Technisch ist die Umsetzung jedoch sehr interessant, da nach dem eigentlichen Verständnis kein Positiv erzeugt wird. Vielmehr handelt es sich um ein knapp belichtetes (also „dünnes“) Negativ, bestehend aus einer jod- und bromsilberhaltigen Kollodiumschicht. Dieses Negativ hat die Eigenschaft, an den geschwärzten Stellen hell zu schimmern. Befindet sich das Negativ vor einem dunklen Hintergrund (im Fall der Ferrotypie eine schwarz lackierte Metallplatte), so erscheint die Fotografie als Positiv. Wenn auch recht dunkel und etwas kontrastarm. Das zugrunde liegende Dunkelfeldprinzip kam bereits vorher bei der Ambrotypie und Pannotypie zum Einsatz. Ein schönes Beispiel der Funktionsweise wird bei Wikipedia anhand einer Ambrotypie gezeigt.
Hamilton L. Smith entwickelte das Verfahren der Ambrotypie weiter und meldete 1856 in den USA das Patent auf die Ferrotypie (auch Tintype) an. Sie ließ sich relativ einfach und vor allem günstig erzeugen. Da statt den bisher üblichen Glas- unempfindliche Metallplatten als Träger zu Einsatz kamen, war die fertige Ferrotypie darüber hinaus sehr robust und konnte gut verschickt oder sogar in Broschen verarbeitet werden. Vor allem Straßen- und Jahrmarktfotografen fanden an diesem Verfahren gefallen und boten die günstigen Fotografien den Massen feil. Im Gegensatz zur teuren Studiofotografie war die neue Technik auch für die Arbeiterklasse erschwinglich und stellte eine Alternative zur damals sehr populären Carte-de-visite dar. Es handelte sich um eines der ersten Verfahren, bei denen das fertige Foto vom Kunden bereits nach wenigen Minuten Wartezeit mitgenommen werden konnte.
1890 kam der erste kommerzielle Fotoautomat auf den Markt und lieferte gegen Münzeinwurf maschinell erstellte und verarbeitete Ferrotypien. Dieser „Bosco-Photographieautomat“ des Hamburgers Conrad Bernitt kann als Urahn aller heutiger Passbildautomaten gelten.

Nahaufnahme der Ferrotypie eines Paares vor gemalten Palmen

Ferrotypie eines Paares vor gemalten Palmen (ca. 1880 bis 1900) - © Überlicht (AR)

Bis in die 1930er Jahre blieb die Ferrotypie verbreitet, wurde dann allerdings durch die aufkommende Kleinbildfotografie und ab den 1940er Jahren durch Polaroids verdrängt. Durch ihren robusten Metallträger überdauern Ferrotypien bei trockener Lagerung die Zeit nahezu unbeschadet. So befindet sich meine Aufnahme in recht gutem Zustand und zeigt auch heute noch deutlich jenes Paar, das sich Ende des 19. Jahrhunderts vor einem mit Palmen bemalten Hintergrund hat aufnehmen lassen.


28 Kommentare zu “Ferrotypie – Fotografie auf Blech”

  1. Hallo,

    ist Ihnen bekannt, ob in Deutschland jemand aktuell Ferrotypie anbietet? In Amerika scheint dieser Trend wieder aufzukommen: http://www.photoboothsf.com.

    Unter google habe ich niemanden gefunden, der das auch im Deutschen Raum anbietet. Interessant wäre so ein Familienportrait schon.

    Mit freundlichen Grüßen
    AMuelder

  2. Leider scheint es in Deutschland kein derartiges Angebot zu geben. Gelegentlich gibt es Nassplattenworkshops in Europa. Wie Sie bereits schreiben, befindet sich das einzige kommerzielle Studio (laut eigener Aussage) in San Francisco. Man müsste also die Familie einpacken und das Ganze mit einem schönen Urlaub verbinden.

  3. Auch in Deutschland scheint der Trend zu alten Fototechniken zunehmend Einzug zu halten: Lukas Fritz schreibt auf seinem Blog über die Arbeit mit Ambrotypien sowie Daguerreotypien. Vielleicht würde er sich auch bereiterklären, Ihnen ein Familienportrait mit dieser Technik anzufertigen.

  4. hallo, mein name ist lutter, ich bin auf der suche nach hinweisen, über das , in meinem besitz befindliche bild, welches dem ihren sehr ähnlich ist, auf ihren eintrag gestossen. es währe sehr schön, wenn sie mit mir in kontakt treten könnten, hier meine internet adresse [E-Mail-Adresse entfernt] . mfg. lutter a.

  5. Hallo Herr Lutter,

    das klingt natürlich sehr interessant. Sie können mir gerne an kontakt@ueberlicht.de schreiben oder Ihre Fragen direkt hier in den Kommentaren stellen – das Thema könnte auch für andere Leser von Interesse sein.

  6. Ferrotypien sind in Europa eher selten. Die Tintypes sind in den USA rund um die Zeit des Bürgerkriegs ein Massenphänomen. In Europa gab es eher das niedergelassene Photoatelier. Dort hat man i.d.R. Negative gemacht und auf Albuminpapier abgezogen.
    Das Exemplar könnte dem Rasen am Boden nach wirklich auf einem Jahrmarkt gemacht worden sein.
    Qualitativ ist es wirklich sehr gut.
    Die blauen Stellen zeigen an, wo der Fotograf die Kollodiumschicht so dick gegossen hat, dass das Fixierbad nicht eindringen konnte.
    Links oben sieht man den Daumenamdruck, da hat er die Platte beim Beschichten und Entwickeln gehalten.
    Es gibt übrigens eine Reihe von Kollodonisten in Deutschland.
    Ich (öhöm) bin einer davon und biete Kollodiumportraits und auch Workshops an.
    Darf ich meine Webadresse schreiben?
    Die ist http://www.peter-kunz-fotografie.de
    LG, Peter

  7. Danke für den erklärenden Beitrag! Gegen das Setzen interessanter oder hilfreicher Links haben wir absolut nichts einzuwenden.

  8. Hallo,
    wer kann mir einen Lieferanten für schwarz beschichtetes Blech nennen. Auf einer Webadresse habe ich auch Alu-Blech, schwarz beschichtet, gesehen. Ist wahrscheinlich wegen der besseren Planlage von Vorteil.
    Vielen Dank für Hinweise.
    VG
    Herbert

  9. Schwarz beschichtetes Alublech ist OK.
    Ich würde aber mal sagen, dass auch die Maßhaltigkeit und Planlage von Glas für fotografische Zwecke ausreichend ist 😉
    Die Frage ist eher, was willst du damit?
    LG, Peter

  10. Hallo Peter,
    natürlich hat Glas eine hervorragende Planlage, nur ist Alublech einfacher zu schneiden. Gerne möchte ich „Tintype“ Fotos versuchen. Nun wurde dafür schwarz lackiertes Blech verwendet. Alu halte ich aber wegen der Planlage für besser. Wird auch verwendet. Den Fotografen in San Francisco habe ich auch angeschrieben, aber keine Antwort erhalten.
    Glas läßt sich deutlich schwieriger schneiden und ist erheblich teurer. Die Frage ist, womit ist Alu- oder Stahlblech schwarz gefärbt/beschichtet.
    VG
    Herbert

  11. Hallo Herbert,
    mit dem Glasschneider ist das wirklich kein großes Ding, das sollte nicht das Argument sein.
    Planlage ist übrigens sogar besser bei Glas, weil es sich nicht durchbiegt im Halter…
    Der Vorteil vom Alu ist, dass da meistens eine Schutzfolie drauf ist und man sich das Putzen erspart. Eloxiertes geht m.W. nicht. Das Alu kannst du oft auch bereits geschnitten bestellen. (guckstdu: „Gravuralu“)

    Ich würde dir aus verschiedenen Gründen aber nicht raten, auf eigene Faust mit Nassplatte anzufangen (nein, ich will dir hier nicht meine Dienstleistungen aufschwatzen!).
    Der Prozess ist zwar nicht wahnsinnig kompliziert, aber er funktioniert ganz anders als konventionelle Silberfotografie und ist sehr handwerklich. Das notwendige Know-How eignest du dir am besten, einfachsten und (falls es dir ums Geld geht) auch am ökonomischsten in einem Workshop an, nicht durch youtube Videos und trial&error.
    Man sollte auch nicht unterschätzen, dass einige Substanzen nicht ungefährlich sind. (Äther!)
    Liebe Grüße,
    Peter

  12. …übrigens ist Glas billiger als Gravuralu.

  13. ist das mit Glasträgern dann immer Ferrotypie ?

  14. Nicht ganz, lat. ferrum= Eisen.
    Die Technik bleibt sich aber gleich, es handelt sich um *lufthol* spiegelverkehrte Direktpositive, eigentlich unterbelichtete Negative, die sich den Dunkelfeld-Effekt zunutze machen.
    Man nennt sie damals und heute meistens Ambrotypien oder einfach Nasskollodium-Positive.
    Auf transparentem Glas kannst du (extrem hochauflösende) Negative oder Positive herstellen.
    Positive musst du dann halt dunkel hinterlegen, mit Samt, Lack, etc.

    LG, Peter

  15. Hallo Peter,
    Ferrum=Eisen, ist mir schon klar. Meine Frage war nicht ganz ernst gemeint. Mein bevorzugtes Trägermaterial wird wahrscheinlich Alu sein.
    Wo werden denn Deine Workshops angeboten. Ist ja trotzdem interressant.
    VG
    Herbert

  16. Alu ist wirklich praktisch, Glas ist m.E. schöner, v.a. Bunt- und Schwarzglas ist deutlich wertiger. Das ist allerdings wirklich relativ teuer.
    Welches Format willst du denn schießen?
    Mein Studio ist in Nürnberg.
    Liebe Grüße, Peter

  17. Hallo Peter,
    bisher habe ich „nur“ 4×5, Sinar F2 und P2, Technika III, Shen Hao, Pola 110A auf 4×5 umgebaut 9×12 AVUS, Patent Etui, Rodenstock und seit 4 Wochen eine schöne alte Holzkamera so um 1900. Und viele MF und KB.
    Schau mal hier
    http://www.fotocommunity.de/fotograf/herbert-kurzfeld/fotos/1068871

    VG
    Herbert

  18. Dann musst du jetzt nur noch entscheiden, welches von den Babies du mit Silbernitrat einsauen willst…
    Und ich nehm mal an, du hast dich beim Photobooth in SF anfixen lassen, oder?
    LG, Peter

  19. ja genau dort in SF,
    und hier
    https://www.youtube.com/watch?v=bcD_7lf91rU
    vg
    Herbert

  20. Hallo Herbert,

    ich habe hier einen amerikanischen Anbieter gefunden:
    http://www.bostick-sullivan.com/cart/home.php?cat=397
    Weiß nicht, ob die auch nach Deutschland senden, aber ist bestimmt mal einen Blick wert! 🙂

    LG,
    Neko

  21. Hallo Neko,
    vielen Dank für den Hinweis.
    LG
    Herbert

  22. Hallo Herbert und Neko,
    aus den USA zahlst du halt ordentlich Porto, vor allem, wenn du Chemie kaufst. Es gibt Anbieter in Europa, da ist das wesentlich günstiger, zb. mamutphoto in Prag oder disactis in Frankreich.
    Und die Platten sind das wenigste…
    Ich würde dir – ganz ohne Eigeninteresse – einen Workshop empfehlen, damit du das Handwerk lernst.
    LG, Peter

  23. Hallo Peter,
    mamutphoto ist mir bekannt.
    An der Uni Karlsruhe wurde ein workshop angeboten. Ist aber wohl nicht durchgeführt worden.
    LG
    Herbert

  24. Ich habe ein Blechfoto.

  25. Hallo,
    es gibt in Deutschland auch Porträs in Ferrotypie-art-design wie zur Jahrhundertwende, auf dünnem Fotometall. Kontakt über o.g. Webseite.
    LG
    Norbert

  26. In den 50iger Jahren konnte man sich am Fuße des
    Drachenfels auf einem Esel „ferrotypieren“ lassen.

    Eine amerikanische Firma versendet Materialien, Chemie
    und Hinweise zum Verfahren.

  27. Bin im Besitz mehrerer Blechfotos wie oben beschrieben. Möchte diese verkaufen da sie nicht zu meinem Sammelgebiet passen.
    Bei Interesse bitte ich um eine Benachrichtigung

    Mit freundlichen Sasmmlergruß.

  28. hallo,
    es gibt fotos in ferrotypie-art-desgn auf fotometal auch nach eigenen vorlagen
    mit besten gruessen
    norbert

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