Straßen- und Architekturfotografie: die Panoramafreiheit
Beim Fotografieren auf der Straße macht sich kaum jemand darüber Gedanken, ob er seine Motive überhaupt abbilden darf. Wird man dann von einem erbosten Eigentümer belehrt, dessen Haus nicht fotografieren zu dürfen, ist man deshalb ziemlich verdutzt. Doch wer hat in einer solchen Situation Recht?
In Deutschland gibt es zwar ein „Recht am Bild der eigenen Sache„, die aufgeworfene Frage regelt allerdings die sogenannte „Panoramafreiheit“ (auch Straßenbildfreiheit). Sie sorgt dafür, dass durch an Bauwerken bestehende Urheberrechtsansprüche Fotografie und Film an öffentlichen Plätzen nicht unmöglich wird. Die rechtliche Grundlage bildet § 59 UrhG Abs. 1: „Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“
Im Detail
Dies bedeutet grundsätzlich, dass man in Deutschland an jedem öffentlichen, also allgemein und frei zugänglichen, Ort fotografieren darf. Auf eine Straße trifft die Defintion des freien Zugangs ohnehin zu, auf einen privaten Park oder eine Museumsterasse jedoch ebenso, wenn diese von jedem ohne zeitliche Begrenzung und Entgelt betreten werden darf. Einige Einschränkungen sind dennoch zu beachten:
- Es dürfen keine Hilfsmittel zur Veränderung des Aufnahmestandpunktes verwendet werden. Dies trifft etwa auf das Erklimmen einer Laterne oder Aufstellen einer Leiter zum Fotografieren über eine Mauer zu.
- Innenräume, auch wenn sie öffentlich zugänglich sind, sind von der Panoramafreiheit ausgenommen.
- Auch kann der Eigentümer von frei zugänglichem, privatem Grund die Fotografie für gewerbliche Zwecke einschränken oder untersagen. Spätestens für die kommerzielle Veröffentlichung ist dann das Einholen einer Genehmigung erforderlich.
- Temporäre Kunst ist von der Panoramafreiheit ebenfalls ausgenommen. Ein prominentes Beispiel ist der verhüllte Reichstag von Christo und Jeanne-Claude, doch auch Veranstaltungsplakate und Schaufenster fallen in diese Kategorie. Anders verhält es sich mit bleibenden Kunstwerken wie Denkmälern oder Graffitis, diese dürfen fotografiert werden. Ist das Kunstwerk nur unwesentliches Beiwerk auf der Fotografie, braucht man sich über die Einteilung in bleibend oder temporär keine Gedanken machen.
- Nicht unter die Panoramafreiheit fällt das Fotografieren von privatem Grund. Von meinem Balkon aus darf ich das gegenüberliegende Gebäude daher nicht abbilden.
- Nach § 109f und § 109g des Strafgesetzbuches gibt es Beschränkungen für das Fotografieren von militärischen oder sicherheitsrelevanten Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland, etwa des BND-Standorts in Pullach.
- Personen dürfen nicht ohne deren Einwilligung fotografiert werden, denn die Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen stehen über dem Urheberrechtsgesetz. Als Ausnahme definiert § 23 KunstUrhG „Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen“, „Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben“ sowie „Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient“.
Der letzte Punkt darf keineswegs als Freifahrtschein verstanden werden. Denn die nötige Gestaltungshöhe, um „einem höheren Interesse der Kunst“ zu dienen, erreichen nur wenige Fotografien.
Im Ausland
Auf jeden Fall sollte man sich bewusst sein, dass die genannten Regeln nur für Deutschland gelten. Viele europäische Länder haben zwar eine ähnliche Gesetzteslage, darauf verlassen sollte man sich allerdings nicht. In Frankreich etwa ist auch ein bleibendes Kunstwerk wie der nächtlich erleuchtete Eiffelturm geschützt (tagsüber darf man ihn hingegen ohne Weiteres abbilden). Italien kennt keine der Panoramafreiheit gleichende Ausnahme vom Urheberrecht und in den USA unterliegen ihm alle Kunstwerke sowie nach dem 1. Dezember 1990 erstellte Gebäude.
Recht haben
Letztendlich sollte man, wenn es darauf ankommt, immer über die am Aufnahemeort gültigen Gesetze informiert sein. Dann kann man etwa den erbosten Hausbesitzer darüber informieren, laut § 59 Abs. 1 UrhG sein Haus fotografieren zu dürfen. Oder man erklärt seinem Gegenüber sachlich, welches Vorhaben man mit der Fotografie verfolgt, wofür man dann meistens mit Verständnis belohnt wird. Denn egal ob man Recht hat oder nicht, auf einen Rechtsstreit muss Fotografie wirklich nicht hinauslaufen.
Dieser Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Gesetzestexte (bis auf das StGB) zum Nachlesen finden Sie im Taschenbuch „Wettbewerbsrecht, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Vorschriftensammlung“ (Hrsg. B. Eckardt und D. Klett), das im C.F. Müller Verlag erschienen ist.
Aufschlussreicher Beitrag. Sicher kein Fehler, sich mit der Thematik im detail auseinander zusetzen. Ich werde bestimmt auch die weiteren Artikel im Auge behalten.
Ist in Deutschland tatsaechlich das Fotografieren von Personen ohne deren Einverstaendnis nicht erlaubt? In Oesterreich, das ueblicherweise sehr aehnliches Recht hat, ist das naemlich anders: Jemanden zu fotografieren ist grundsaetzlich immer erlaubt, nur bezueglich der Veroeffentlichung gibt es Einschraenkungen:
§ 78 (1) UrhG: Bildnisse von Personen dürfen weder öffentlich ausgestellt noch … verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten … verletzt würden.
Unter „berechtigte Interessen“ faellt etwa falls die Person herabwuerdigend dargestellt waere, aber auch kommerzielle Nutzung.
Die Persönlichkeitsrechte sind in Deutschland ziemlich mächtig. Gerade in den letzten Jahren geht die Rechtsprechung dahin, dass Fotografien von Personen in der Öffentlichkeit tendenziell eher nicht angefertigt werden dürfen, wenn sie auf Grund von Persönlichkeitsrechten nicht verwertet / veröffentlicht werden dürften. Vor allem geht es darum, dass Personen nicht in unzumutbarer Weise von Fotografen belästigt werden.
Wenn eine Person fotografiert wird und zum Ausdruck bringt, dass sie sich dadurch gestört fühlt, sollte man aus diesem Grund das Fotografieren unterlassen. Sei denn, die Person stellt, wie oben beschrieben, im fertigen Bild lediglich unwesentliches Beiwerk dar.
Da dies insgesamt ein spannendes Thema ist, wird in Zukunft sicher ein ausführlicher Artikel zur Personenfotografie folgen.
Hab grade bei euch nach einem Artikel zur Personenfotografie gesucht… ihr werdet zu meinem Nachschlagewerk seit wir uns nicht mehr so zum Kaffeetrinken treffen können ; ) Wann?! Also beides : P
Zum Thema Persönlichkeitsreechte ist inzwischen tatsächlich was in Vorbereitung. Kann allerdings noch dauern, bis das Wetter wieder besser wird. Schließlich sollen ja auch Personen mit auf die Bilder.
Zum Thema Prsönlichkeitsrechte interessiert mich Folgendes: Wenn ich bei einer Veranstaltung (Hoffest, Konzert, Markt, Ausstellung, …) fotografiere, sind da auch Personen zu sehen und zu erkennen: ein Vertreter erklärt dem Kunden etwas, Leute schauen etwas an oder hören zu. Die Personen sind hier nicht „unwesentliches Beiwerk“, aber auch nicht direkt herausgestellt. Zwei im Gespräch sind schon sehr persönlich, 10 Leute, die etwas anschauen, kann ich nicht alle um Erlaubnis bitten. Die Bilder gehen zur Zeitung, in den Katalog und ins Internet. Wie ist hier die Rechtslage und die Empfehlung für die Praxis.
Veranstaltungen sind ein schwieriges Feld. Denn anders als bei der Gesamtansicht eines Festivalgeländes mit tausenden Zuschauern sind auf einem Messestand die Interessenten in der Regel nicht als unwesentliches Beiwerk zu bewerten. Dafür müssen sie gar nicht gesondert herausgestellt werden, es reicht bereits, dass sie erkennbar sind. Sollen die Fotos in einer Zeitung (oder auf einer Website) zum Zwecke der aktuellen Berichterstattung genutzt werden, gibt es keine Probleme mit einer solchen Ansicht. Ist allerdings angedacht, ein solches Foto für einen Katalog oder sogar auf der Firmenwebsite als Werbung zu platzieren, begibt man sich auf dünnes Eis. In einem solchen Fall sollten die Personen im Idealfall nicht erkennbar sein, oder Sie benötigen doch ein Einverständnis der abgebildeten Personen. Fotografien Sie im Auftrag einer Firma, können Sie natürlich im Angebot sowie auf der Rechnung detailliert festhalten, für welchen Zweck die Fotos verwendet werden dürfen und dass Sie kein Einverständnis abgebildeter Personen eingeholt haben. Verwendet der Kunde die Fotos dann anderweitig als vertraglich festgehalten, können Sie nicht dafür zur Rechenschaft gezogen werden.